Ulf Poschardt fährt Ferrari


Erst habe ich überlegt, ob die vergangene Woche als Magazin wiederauferstandene Zürcher "Weltwoche" hier überhaupt hingehört. Schliesslich soll es hier im weitesten Sinne um Moden und Trends gehen. Nachdem ich jetzt die zweite Ausgabe des Magazins vor mir liegen habe, kann ich es aber ohne Gewissensbisse hier besprechen.

Das Format und Preis sind gleich geblieben. Was bekommt man nun für fünf Franken?

Aufgemacht wird mit einem Bild des Matterhorns und der Schlagzeile "Schweiz, bitte aufwachen". Weitere Titelthemen: "Hassfigur Anwalt - Ein Wochenende mit Ed Fagan", "Der überflüssige Mann - Biologen entwickeln die samenfreie Zeugung" und "Wir müssen Pim Fortuyn dankbar sein - Der Schriftsteller Cees Nooteboom über Holland danach"

Man muss dazu sagen: Die "Weltwoche" versteht sich als eine Art Speerspitze eines etwas intellektuelleren Rechtsliberalismus.

Die Titelstory ist wieder eine dieser in rechtsliberalen Kreisen so beliebten Aufrüttel-Stories. Es geht darum, wie die Schweiz gegenüber anderen Ländern in Sachen Produktivität an Boden verloren hat. Welchen Sinn das Benchmarking hat, wenn man den Lohn eines Lehrers in Zürich mit dem eines Lehrers in Helsinki vergleicht, ohne gleichzeitig die Lebenshaltungskosten in die Rechnung mit einzubeziehen, wissen allein die Autoren. Pseudo-objektives Benchmarking ist ein gern benutztes Stilmittel, aber es bringt nicht weiter. Der Artikel bringt auch wirklich wichtige Aspekte auf, wie den zu geringen Anteil der Bildungsausgaben am Gesamtetat. Aber das ist nichts neues. Nichts, was mich mitreisst oder fasziniert.

Der Artikel über Ed Fagan ist sehr subjektiv, kitzelt aber ein paar interessante Momente heraus. Was machen die Hinterbliebenen der Opfer aus Kaprun mit ihrem Geld? Wie kriegt der amerikanische Showman seine potentiellen Kunden dazu, Sammelklagen einzureichen. Aber: Zu wenig Hintergrund. Der Autor bleibt an der Figur Fagan kleben, aber es kommt dabei nichts rum. Der Mann und sein Job bleiben auf Distanz, obwohl der Autor doch so nah rangeht.

Dann die Geschichte über die Männer, die dank Biotech bald als Zeuger überflüssig werden würden: "Das nutzlose Glied der Gesellschaft" Gut sind die Fotos dazu, Alltagsszenen, in denen die Männer quasi wie Geister nur halb eingeblendet sind. Aber: Was macht das mit den Frauen? Das insgesamt interessante Thema ist auf nur vier Seiten untergebracht, davon sind zwei von ganzseitigen Fotos im nach wie vor lieblosen Layout verbraucht. Insgesamt wieder ein Stück über die beunruhigenden Folgen der neuen Möglichkeiten in der Reproduktionsmedizin... Aber, ehrlich gesagt, nix G'naus woaß ma ned. Thema gut, aber Artikel so ho-hum.

Dann Stücke über die Swissair, über Michael Jackson und ein kurzes über Francis Fukuyama. Feuilleton, ja mei... Fantastische Zeile unterm Autotest: "Ulf Poschardt ist Philosoph und Ferrari-Fahrer". Das 80er-Revival zeigt sein hässliches Gesicht.

Abschliessend noch ein Exempel der neuesten niederländischen Literaturgattung, der Pim-Apologie. Diesmal ist nicht Harry Mulisch am Start, sondern Cees Noteboom. Überschrift: "Er war kein Rassist".

Frage: "Das land ist voll, der Islam ist rückständig: Solche aussagen sind doch grobe Vereinfachungen." Antwort: "Die Leute sagen es aber, nur meistens im Gespräch untereinander und hinter vorgehaltener Hand. Die Politiker haben so den Eindruck bekommen, es werde ohnehin nichts gesagt. Jetzt haben wir eine offene Diskussion und können sagen: Schauen wir mal, ob das Land wirklich schon voll ist. Und wir werden zum Schluss kommen, dass noch Platz ist, aber vielleicht nicht für alle Wirtschaftsflüchtlinge. Die Deutschen holen Computerfachleute ins Land, die bekommen dann Informationszettel, auf denen steht, sie sollen nachts lieber nicht auf die Strasse gehen. Finden Sie das gut, wenn man alles verschleiert? Aber wir haben Angst, über solche Dinge zu reden."

Noteboom sagt aber auch einige vernünftige Dinge, so weist er den Vorwurf zurück, dass die anderen Politiker am Tod Fortuyns mit Schuld hätten. Aber Sätze wie "Er (Fortuyn, GH) verfolgte keine Strategie, er war einfach so. Er war selbst begeistert von dem, was er sagte. Die anderen Parteien haben alle diesen verschleiernden Sprachgebrauch. Sehr manieriert. Für die meisten Menschen ist die politische Diskussionskultur in diesem Land reine Scholastik. Das wollen sie nicht hören und das sollen sie nicht hören. Es hat nichts mit ihrem eigenen Leben zu tun. Politiker haben keine Kinder in normalen Schulen, sie wohnen nicht in Vierteln mit vielen Ausländern."

Die Interviewer haken manchmal nach, aber sie lassen ihn davonkommen. Ich weiss nicht, was ich dazu noch schreiben soll.

Doch zurück zum Blatt selbst. Es ist, nach wie vor, so etwas wie eines dieser 80er-Jahre-Trendmagazinbeilagen, nur nicht so schön und nicht so unterhaltsam. Die Artikel sind unwichtig. Letzhin gab es einen Fall unglaublicher Polizeibrutalität in Zürich: Ein unbescholtener Bürger (selbstverständlich nichtschweizer Herkunft) wurde von Polizeibeamten in Zivil brutal zusammengeschlagen. In der "Weltwoche": Nichts davon. Constantin Seibt konstatierte in der linken WoZ, die "Weltwoche" sei "Frankenstein - Die Zeitung", ein bisserl rechts, aber insgesamt konturlos. Natürlich muss man bei Analysen in Konkurrenzblättern immer etwas aufpassen. Aber unrecht hat der Mann damit nicht.


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